Ich gestehe, dass ich jede Woche mit als Erstes in der
Printausgabe der Zeit die Kolumne von Harald Martenstein lese. Und ich räume ein, dass er gut schreiben
kann. Der ganze Text ist derzeit noch
hinter einer Paywall, deshalb kann ich ihn nicht verlinken. Er ist in der
Printausgabe der Zeit vom 22. Juni 2017 veröffentlicht
Harald Martenstein hat in seiner gekonnten Art eine
Streitschrift gegen die Erbschaftsteuer geschrieben, die leider demagogisch,
unsachlich und populistisch ist.
Eine sachliche Diskussion über die Erbschafsteuer in unserer
Gesellschaft ist dringend notwendig, dieser Text ist aber nicht dazu geeignet.
Der Staat und Ich
Harald Martenstein schreibt: „ Ich habe ein Problem mit der
herrschenden Ideologie. Diese Ideologie besagt, dass niemanden von uns
irgendwas wirklich gehört. Im Prinzip gehört alles dem Staat, und der Staat
entscheidet darüber, was wir behalten dürfen“
Weiter schreibt er
„Der Staat gibt das Geld natürlich immer nur sinnvoll aus, für Schulen,
für die Umwelt oder den immerwährenden Kampf gegen Ungerechtigkeit. Keinesfalls
verpulvert der Staat Geld für Flughafenruinen, die niemals fertig werden, für
die Rettung maroder Banken, für
Wahlgeschenke … “
Der erste Teil ist natürlich Quatsch. Denn wenn es
tatsächliche die herrschende Ideologie wäre, dann würden wir nicht mehr über die
Erbschaftsteuer diskutieren, dann hätten wir eine wirklich hohe
Erbschaftsteuer. Warum denn dann diese Fehlaussage? Um seine These, die später kommt, in die Rolle
des vermeintlich Schwächeren zu setzen.
Dann ist der Begriff Staat. Was und wer ist „der Staat“
So wie Harald Martenstein das Wort benutzt ist er negativ konnotiert. Der Staat ist in dieser Sprechweise die
Ansammlung von politische Entscheidungsträgern
und ausführenden Organen, die gegen
einen arbeiten. Der Polizist, der mir
eine Verwarnung ausstellt, weil ich wieder einmal 7km/h zu schnell gefahren
bin, ist der Staat, aber der Polizist, der mir zu Hilfe kommt, wenn ich
angegriffen werde, nicht. Der Staat ist
eine wunderbar amorphe Bezeichnung, gegen die man sich verbünden kann ohne
definieren zu müssen, um wen es sich handelt.
Die Erwähnung der finanziellen Unzulänglichkeiten „des
Staates“ habe in dieser Diskussion nicht
zu suchen. Es ist zweifelsfrei wahr,
dass unterschiedliche Verwaltungen Geld gelinde gesagt aus dem Fenster geworfen
haben. Nur stehen sie nicht alleine dar. Nur als Beispiel: Thyssen Krupp hat
durch Fehlinvestitionen Milliardenverluste erzeugt. Nur dass auch im privatwirtschaftlichen
Sektor Werte in Milliardenhöhe vernichtet werden, erwähnt Herr Martenstein
nicht. Nur kann man dieses Argument dann
für jeder Form von Abgabe – Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer etc. verwenden. Warum es gerade für die
Erbschaftsteuer herhalten soll – es ist nicht logisch, aber ungemein rhetorisch
geschickt.
„L‘ etat c’est moi“
soll Ludwig XIV gesagt haben, in Zeiten der Demokratie muss es heißen:
„L’etat c’est nous“ der Staat sind wir.
Aber da der Begriff Staat hier schon anders verwendet wurde, möchte ich einen anderen Begriff benutzen –
wir sind die Gesellschaft. Wir können es nicht vermeiden, wir sind ein Teil der
Gesellschaft, jeder von uns, es sei denn man lebt alleine irgendwo im Dschungel
oder auf einer einsamen Insel. Und irgendwie gehört alles somit Mitgliedern der
Gesellschaft.
Jede Gesellschaft hat eine Vielzahl geschriebener Gesetze
und Konventionen nach denen diese Gesellschaft funktioniert. Vieles ist unbewusst. Gerade das Geld ist ein
Produkt dieser Regeln und Konventionen. Kaum jemand versteht wirklich was Geld
eigentlich ist. Selbst viele Ökonomen nicht.
Und in dieser Gesellschaft übernehmen verschiedene Menschen
verschiedenen Rollen und Aufgaben: politische Aufgaben, ökonomische Aufgaben,
ordnungshütende Aufgaben dieses kann man
beliebig detaillieren. Und mit den Aufgaben kommen Privilegien und Pflichten. Teile
dieser gesellschaftlichen Privilegien sind das Eigentum und wie es verteilt ist
und wie es weiter gegeben wird. Es ist nur natürlich, dass die Gruppen, die
über viel Eigentum verfügen, an diesen Privilegien festhalten wollen, und
einiges spricht dafür, dass die Verteilung des Eigentums, wie es ist ein hohes
Maß an Effizienz zur Folge hat. Eine Diskussion über die Weitergabe von
Eigentum und der Pflichten die sich aus dem Eigentum ergeben ist jedoch legitim und auch dringend notwendig.
Das alles Eigentum letztlich der Gesellschaft gehört, ist im Sinne der
Mengenlehre eine mathematisch korrekte Aussage.
Geld und das Recht des Eigentums und den altruistischen
Erben
Herr Martenstein verkürzt die Erbschaftsteuer Diskussion auf Geld. Dies
ist im Kontext des Textes gekonnt gemacht. Erbschaften umfassen aber nicht nur
Geld, sondern auch die anderen Formen des Eigentums an Immobilien, Firmen,
geistigem Eigentum, Kunstwerke. Man kann es auf den Geldwert reduzieren, aber
man sollte es präziser als Eigentum bezeichnen.
Er verkürzt es weil er im weiteren Text schreibt:
„Ein reicher gesetzestreuer Mensch hat sein Geld versteuert (Anm.: Denn er ist ehrenwert, das sind sie alle,
alle ehrenwert) mit dem, was er behalten darf sollte er nach meinem
Gerechtigkeitsempfinden tun dürfen, was er will. Zum Beispiel darf er sein
Vermögen in Monte Carlo verzocken, das immerhin kann der Staat nicht
verhindern.“
Wirklich? Wenn man Eigentum für Geld ersetzt würde der Sinn
ergeben: … mit seinem Eigentum sollte jeder tun dürfen was er will … In letzte Konsequenz heißt das, dass es in
Ordnung ist, wenn ein Firmeneigentümer willkürlich eine Firma schließt, weil er
keine Lust hat sie weiter zu führen, und somit Hunderte oder Tausende
arbeitslos machen, oder wenn jemanden ein Cezanne oder Matisse gehört, so kann
er ihn, aus lauter Jux und Tollerei einfach so verbrennen. Herr Martenstein
schreibt von seinem Gerechtigkeitsempfinden.
Ich meine die Gesellschaft wäre entsetzt wenn jemand mit Werten so
umgeht. Aber der Text hat die Erbschaftssteuer Diskussion auf das Geld verkürzt
und somit kann Herr Martenstein damit rechnen für diese Aussage eine Zustimmung
zu bekommen. Denn wer Geld verbrennt oder verzockt zerstört zunächst keine
Werte.
Dann weiter:
„Oder er vererbt es seinen Kindern. Und niemand kann, wenn man mal
ehrlich ist, mit Gewissheit sagen, wer das Geld
sinnvoller ausgibt. Womöglich würden die Erben eine Stiftung zur
Bekämpfung der Obdachlosigkeit gründen, doch wegen der Erbschaftsteuer muss
diese Idee leider verworfen werden, und der Staat steckt das Erbe in die
Abfindung eines gescheiterten Berliner Flughafenmanagers“
Ich ziehe meinen Hut vor dieser argumentativen Brillanz. Eine
rhetorische Frage, deren implizierte Antwort offensichtlich ist. Und der böse
Staat verhindert mit der Erbschaftsteuer die altruistischen Erben – denn die Erben
sind uneigennützig, das sind sie alle, alle uneigennützig - um damit seine Ineffizienz
zu perpetuieren. Offen bleibt natürlich, warum in unserer Gesellschaft die
Vermögensverteilung so ist, dass es einer Stiftung zur Bekämpfung der
Obdachlosigkeit bedarf und dass der Flughafen Manager dann am Ende zu denen
gehört die dann seinen Erben ermöglicht altruistisch zu sein.
Da haben wir es: ein brillanter Text: „Der Staat“ , wer auch
immer das sein mag, nicht in der Lage das Geld vernünftig zu nutzen, will das versteuerte Vermögen – versteuert,
denn es sind ja alles ehrenwerte Männer – wegnehmen um diese um Ihr Recht zu
betrügen mit dem Geld zu machen was sie wollen.
Mit genau der Anzahl Wörter sodass
der Text Zeitmagazins passt mit Platz für eine amüsante Grafik. Jedes
Wort gekonnt gesetzt. Mit einer Prise Sarkasmus und oberflächlich nicht
wiederlegbar. Aber falsch. Im Detail, in der Juxtaposition. Letztlich
Populismus unterster Schublade.
Es gibt vieles, das potentiell gegen eine Erbschaftsteuer
spräche, nicht zuletzt die Tatsache das Vermögenswerte abgezogen werden, um den
laufenden Haushalt zu unterfüttern. Aber
wie hier diskutiert wird, ist nicht
produktiv oder zielführend. Im Rahmen der verstärkten Verlagerung von Vermögenswerten
in unserer Gesellschaft auf eine kleiner werdende Gruppe und die damit
verbundenen Ungleichheit und Sprengkraft für die Gesellschaft und Gefahr für
die Demokratie ist eine offene
Diskussion notwendig. Ich sehe auch nicht in der Erbschaftssteuer eine Art
Panacea für die Schaffung von
Gerechtigkeit. Aber, wenn es in unserer Gesellschaft endlich die überfällige
Diskussion gibt, die die Rollen der verschiedenen Akteure und die Zuordnung der
Ressourcen behandelt wird, wird eine Form von Erbschaftsteuer mit herauskommen,
aber nicht um gescheiterten Flughafenmanagern Abhilfen zahlen zu können.