Sonntag, 25. Juni 2017

Harald Martenstein Erbschaftssteuer und Gerechtigkeit – eine Antwort


Ich gestehe, dass ich jede Woche mit als Erstes in der Printausgabe der Zeit die Kolumne von Harald Martenstein lese.  Und ich räume ein, dass er gut schreiben kann.  Der ganze Text ist derzeit noch hinter einer Paywall, deshalb kann ich ihn nicht verlinken. Er ist in der Printausgabe der Zeit vom 22. Juni 2017 veröffentlicht 

Harald Martenstein hat in seiner gekonnten Art eine Streitschrift gegen die Erbschaftsteuer geschrieben, die leider demagogisch, unsachlich und populistisch ist. 

Eine sachliche Diskussion über die Erbschafsteuer in unserer Gesellschaft ist dringend notwendig, dieser Text ist aber nicht dazu geeignet. 

Der Staat und Ich

Harald Martenstein  schreibt: „ Ich habe ein Problem mit der herrschenden Ideologie. Diese Ideologie besagt, dass niemanden von uns irgendwas wirklich gehört. Im Prinzip gehört alles dem Staat, und der Staat entscheidet darüber, was wir behalten dürfen“ 

Weiter schreibt er
„Der Staat gibt das Geld natürlich immer nur sinnvoll aus, für Schulen, für die Umwelt oder den immerwährenden Kampf gegen Ungerechtigkeit. Keinesfalls verpulvert der Staat Geld für Flughafenruinen, die niemals fertig werden, für die Rettung maroder Banken,  für Wahlgeschenke … “

Der erste Teil ist natürlich Quatsch. Denn wenn es tatsächliche die herrschende Ideologie wäre, dann würden wir nicht mehr über die Erbschaftsteuer diskutieren, dann hätten wir eine wirklich hohe Erbschaftsteuer. Warum denn dann diese Fehlaussage?  Um seine These, die später kommt, in die Rolle des vermeintlich Schwächeren zu setzen. 

Dann ist der Begriff Staat. Was und wer ist „der Staat“ So wie Harald Martenstein das Wort benutzt ist er negativ konnotiert.  Der Staat ist in dieser Sprechweise die Ansammlung von politische  Entscheidungsträgern und ausführenden Organen, die  gegen einen arbeiten.  Der Polizist, der mir eine Verwarnung ausstellt, weil ich wieder einmal 7km/h zu schnell gefahren bin, ist der Staat, aber der Polizist, der mir zu Hilfe kommt, wenn ich angegriffen werde, nicht.  Der Staat ist eine wunderbar amorphe Bezeichnung, gegen die man sich verbünden kann ohne definieren zu müssen, um wen es sich handelt.

Die Erwähnung der finanziellen Unzulänglichkeiten „des Staates“  habe in dieser Diskussion nicht zu suchen.  Es ist zweifelsfrei wahr, dass unterschiedliche Verwaltungen Geld gelinde gesagt aus dem Fenster geworfen haben. Nur stehen sie nicht alleine dar. Nur als Beispiel: Thyssen Krupp hat durch Fehlinvestitionen Milliardenverluste erzeugt. Nur dass auch im privatwirtschaftlichen Sektor Werte in Milliardenhöhe vernichtet werden, erwähnt Herr Martenstein nicht.  Nur kann man dieses Argument dann für jeder Form von Abgabe – Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer etc.  verwenden. Warum es gerade für die Erbschaftsteuer herhalten soll – es ist nicht logisch, aber ungemein rhetorisch geschickt. 

 „L‘ etat c’est moi“ soll Ludwig XIV gesagt haben, in Zeiten der Demokratie muss es heißen: „L’etat  c’est nous“ der Staat sind wir. Aber da der Begriff Staat hier schon anders verwendet wurde,  möchte ich einen anderen Begriff benutzen – wir sind die Gesellschaft. Wir können es nicht vermeiden, wir sind ein Teil der Gesellschaft, jeder von uns, es sei denn man lebt alleine irgendwo im Dschungel oder auf einer einsamen Insel. Und irgendwie gehört alles somit Mitgliedern der Gesellschaft. 

Jede Gesellschaft hat eine Vielzahl geschriebener Gesetze und Konventionen nach denen diese Gesellschaft funktioniert.  Vieles ist unbewusst. Gerade das Geld ist ein Produkt dieser Regeln und Konventionen. Kaum jemand versteht wirklich was Geld eigentlich ist. Selbst viele Ökonomen nicht.  Und in dieser Gesellschaft übernehmen verschiedene Menschen verschiedenen Rollen und Aufgaben: politische Aufgaben, ökonomische Aufgaben, ordnungshütende Aufgaben  dieses kann man beliebig detaillieren. Und mit den Aufgaben kommen Privilegien und Pflichten. Teile dieser gesellschaftlichen Privilegien sind das Eigentum und wie es verteilt ist und wie es weiter gegeben wird. Es ist nur natürlich, dass die Gruppen, die über viel Eigentum verfügen, an diesen Privilegien festhalten wollen, und einiges spricht dafür, dass die Verteilung des Eigentums, wie es ist ein hohes Maß an Effizienz zur Folge hat. Eine Diskussion über die Weitergabe von Eigentum und der Pflichten die sich aus dem Eigentum ergeben ist  jedoch legitim und auch dringend notwendig. Das alles Eigentum letztlich der Gesellschaft gehört, ist im Sinne der Mengenlehre eine mathematisch korrekte Aussage.

Geld und das  Recht des Eigentums und den altruistischen Erben

Herr Martenstein verkürzt  die Erbschaftsteuer Diskussion auf Geld. Dies ist im Kontext des Textes gekonnt gemacht. Erbschaften umfassen aber nicht nur Geld, sondern auch die anderen Formen des Eigentums an Immobilien, Firmen, geistigem Eigentum, Kunstwerke. Man kann es auf den Geldwert reduzieren, aber man sollte es präziser als Eigentum bezeichnen. 

Er verkürzt es weil er im weiteren Text schreibt:  
„Ein reicher gesetzestreuer Mensch hat sein Geld versteuert (Anm.:  Denn er ist ehrenwert, das sind sie alle, alle ehrenwert) mit dem, was er behalten darf sollte er nach meinem Gerechtigkeitsempfinden tun dürfen, was er will. Zum Beispiel darf er sein Vermögen in Monte Carlo verzocken, das immerhin kann der Staat nicht verhindern.“

Wirklich? Wenn man Eigentum für Geld ersetzt würde der Sinn ergeben: … mit seinem Eigentum sollte jeder tun dürfen was er will …  In letzte Konsequenz heißt das, dass es in Ordnung ist, wenn ein Firmeneigentümer willkürlich eine Firma schließt, weil er keine Lust hat sie weiter zu führen, und somit Hunderte oder Tausende arbeitslos machen, oder wenn jemanden ein Cezanne oder Matisse gehört, so kann er ihn, aus lauter Jux und Tollerei einfach so verbrennen. Herr Martenstein schreibt von seinem Gerechtigkeitsempfinden.  Ich meine die Gesellschaft wäre entsetzt wenn jemand mit Werten so umgeht. Aber der Text hat die Erbschaftssteuer Diskussion auf das Geld verkürzt und somit kann Herr Martenstein damit rechnen für diese Aussage eine Zustimmung zu bekommen. Denn wer Geld verbrennt oder verzockt zerstört zunächst keine Werte. 

Dann weiter:
„Oder er vererbt es seinen Kindern. Und niemand kann, wenn man mal ehrlich ist, mit Gewissheit sagen, wer das Geld  sinnvoller ausgibt. Womöglich würden die Erben eine Stiftung zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit gründen, doch wegen der Erbschaftsteuer muss diese Idee leider verworfen werden, und der Staat steckt das Erbe in die Abfindung eines gescheiterten Berliner Flughafenmanagers“

Ich ziehe meinen Hut vor dieser argumentativen Brillanz. Eine rhetorische Frage, deren implizierte Antwort offensichtlich ist. Und der böse Staat verhindert mit der Erbschaftsteuer die altruistischen Erben – denn die Erben sind uneigennützig, das sind sie alle, alle uneigennützig - um damit seine Ineffizienz zu perpetuieren. Offen bleibt natürlich, warum in unserer Gesellschaft die Vermögensverteilung so ist, dass es einer Stiftung zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit bedarf und dass der Flughafen Manager dann am Ende zu denen gehört die dann seinen Erben ermöglicht altruistisch zu sein.

Da haben wir es: ein brillanter Text: „Der Staat“ , wer auch immer das sein mag, nicht in der Lage das Geld vernünftig zu nutzen,  will das versteuerte Vermögen – versteuert, denn es sind ja alles ehrenwerte Männer – wegnehmen um diese um Ihr Recht zu betrügen mit dem Geld zu machen was sie wollen.  Mit genau der Anzahl Wörter sodass  der Text Zeitmagazins passt mit Platz für eine amüsante Grafik. Jedes Wort gekonnt gesetzt. Mit einer Prise Sarkasmus und oberflächlich nicht wiederlegbar. Aber falsch. Im Detail, in der Juxtaposition. Letztlich Populismus unterster Schublade. 

Es gibt vieles, das potentiell gegen eine Erbschaftsteuer spräche, nicht zuletzt die Tatsache das Vermögenswerte abgezogen werden, um den laufenden Haushalt zu unterfüttern.  Aber wie hier diskutiert wird,  ist nicht produktiv oder zielführend. Im Rahmen der verstärkten Verlagerung von Vermögenswerten in unserer Gesellschaft auf eine kleiner werdende Gruppe und die damit verbundenen Ungleichheit und Sprengkraft für die Gesellschaft und Gefahr für die Demokratie  ist eine offene Diskussion notwendig. Ich sehe auch nicht in der Erbschaftssteuer eine Art Panacea  für die Schaffung von Gerechtigkeit. Aber, wenn es in unserer Gesellschaft endlich die überfällige Diskussion gibt, die die Rollen der verschiedenen Akteure und die Zuordnung der Ressourcen behandelt wird, wird eine Form von Erbschaftsteuer mit herauskommen, aber nicht um gescheiterten Flughafenmanagern Abhilfen zahlen zu können.

Mittwoch, 21. August 2013

Eine Geschichte aus einer möglichen Zukunft

Es war einer dieser verregneten Tage so gegen Ende September, ich saß am Küchentisch, noch in meinem Schlafanzug und las die Zeitung während meine rechte Hand sich an der zweiten Tasse Kaffee festhielt. Die Firma hatte wieder Kurzarbeit und ich driftete in den Tag. Ich hatte mich vor lauter Langeweile bis in den Lokalteil vorgearbeitet als es an der Tür klingelte. Ich nahm noch einen Schluck Kaffee, stand auf, holte mir aus dem Badezimmer im vorübergehen meinen Bademantel und ging die Tür zu öffnen. Ich schaute durch den Spion und sah zwei etwas konservativ gekleidete Herren – grauer Anzug, dezente Krawatte, eine blau, eine rot, ordentlich frisiertes Haar. Vertreter vielleicht oder irgendeine Sekte, die mich bekehren wollte. Sch*** vielleicht hätte ich doch nicht aus der Kirche austreten sollen, seitdem ich das getan hatte kamen diese Leute immer häufiger.

Ich öffnete die Tür einen Spalt.

„Ja? was möchten Sie?“
„Herr Wilfried Müller?“ fragte einer der Herren, der mit dem roten Schlips,“Herr Wilfried Norbert Ephraim Müller?“
„Ja, der bin ich“ Für den dritten Vornamen kann ich nun wirklich nichts, mein Vater war ein großer Lessing Fan und ich musste darunter leiden.
„Wir sind vom Statistischen Landesamt für politisch Ämter“, sie zeigten mir ihre Ausweise, „können wir bitte hineinkommen“
Ja, warum denn eigentlich nicht, die Wohnung war zwar nicht aufgeräumt, das war sie eigentlich nicht mehr gewesen, seitdem meine Frau mich mit den Kindern verlassen hat, manchmal kam da noch meine Tochter vorbei, räumte auf und machte mir Vorhaltungen, ich solle doch besser auf mich aufpassen, aber das hielt nicht lange vor. Ich öffnete die Tür ganz und trat beiseite, damit die Herren eintreten konnten. Ich ging vor in die Küche und zeigte zu den Stühlen um den Küchentisch. „Bitte setzen Sie sich“, was die Herren dann auch taten.

„Möchten Sie einen Kaffee? Es ist noch welcher in der Kanne..“ Ich räumte die Zeitung beiseite
Die Herren bejahten diese Frage und ich holte noch zwei Tassen und Löffel aus dem Schrank, goss ihnen den Kaffee ein und stellte Milch und Zucker auf den Tisch.

Ich sah sie erwartungsvoll an.

Der Mann mit dem blauen Schlips öffnete seine Aktentasche und legte einen flachen Ordner vor sich auf den Tisch. „Zunächst möchten wir sie bitten, sich auszuweisen, nur der Form halber.“
Ich stand wieder auf ging ins Schlafzimmer und holte mir die Brieftasche aus der Jacke. Zurück in der Küche gab ich den Personalausweis dem Herren mit dem blauen Schlips. Er öffnete den Ordner, verglich die Angaben mit dem Dokument und legte dann den Ausweis neben dem Ordner auf den Tisch.

„Zunächst möchte wir Sie raten, dieses Gespräch vertraulich zu behandeln. Wir können sie zwar nicht daran hindern, diese Informationen weiter zu geben, aber es ist in ihrem Sinne, wenn diese Informationen nicht vorzeitig bekannt werden“

Ich guckte die Herren mit großen Augen an.

„Haben Sie uns verstanden?“
„Eigentlich nicht“
„Wir wollen ihnen nur empfehlen, das was wir ihnen gleich erzählen erst einmal für sich zu behalten. Solange Sie diese Informationen nicht herausgeben, ist das SLApÄ auch verpflichtet die Informationen geheim zu behalten. Sobald aber auch nur eine Zeitung oder ein anderes Medium dies veröffentlicht oder sie es tun, sind wir verpflichtet die Informationen an alle Medien herauszugeben.“
Da ich immer noch nicht wusste warum es hier ging, hatte ich keine Ahnung, was die Konsequenz wäre. Ich nickte erst einmal mit dem Kopf.

„Wir haben die Aufgabe, Ihnen offiziell mitzuteilen, dass sie für zwei Jahre verpflichtet worden sind.“
Das kam als Schock, ich hätte es ahnen müssen, aber irgendwie hofft ja jeder, dass es einen nicht erwischt.
„Ihr Dienstort wird Berlin sein“
Wenn schon denn schon
Das erste Blatt in dem Ordner war in einer Klarsichthülle, der Mann mit dem blauen Schlips nahm es aus der Hülle, die beiden Männer standen auf.
„Bitte erheben sie sich“
Ich stand auf.

„Herr Wifried Norbert Ephraim Müller, geboren am ..., Wohnhaft zu ... ausgewiesen durch Personalausweis, wird mit der Überreichung der Dienstpflicht-Urkunde verpflichtet zum politischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland laut dem Bundesgesetz zum Politischen Pflicht-Dienst vom .... Die Urkunde wird überreicht durch Herrn Konstantin Schmückler, Amtsrat bezeugt durch Herrn Richard Schmitt, Oberamtsrat“

Es war schon ein komisches Bild, hier wurde mir über den Küchentisch hinweg eine hochoffizielle Urkunde ausgehändigt, auf der einen Seite zwei formell gekleidete Herren und ich auf der anderen Seite in Schlafanzug, Morgenmantel und Hausschuhen.

„Bitte setzen Sie sich“
mir wurde ein ein weiteres Blatt vorgelegt auf dem ich den Erhalt bestätigen sollte.

„Und wenn ich nicht will?“

„Laut Paragraph 2 des BGPPD ist jeder Deutsche Staatsbürger mit abgeschlossener Schulbildung verpflichtet zum Politischen Dienst in seiner Gemeinde, seinem Landkreis seinem Bundesland, in der Bundesrepublik oder in Übernationalen Aufgaben – darunter fällt auch die Europäische Union. Ausgenommen sind Berufliche Beschäftigte in Politischen Ämtern, Insassen von Justiz Vollzugsanstalten, Vorbestrafte die für bestimmte Kapitalverbrechen laut Anhang C, sowie Bürgern, denen dieser Dienst aus Gesundheitliche Gründen nicht zuzumuten ist“
Dar Mann mit dem roten Schlips zeigte auf den entsprechenden Text auf der Urkunde während er ihn auswendig aufsagte.

„Um es auf den Punkt zu bringen, wenn sie das vermeiden wollen, müssen sie jetzt noch schnell ein Kapitalverbrechen begehen oder sich für verrückt erklären lassen.“

„Und wenn meine Religion mir einen politischen Dienst untersagt“

„Da gibt es inzwischen auch ein höchstrichterliches Urteil: Wenn eine Religion einem die Ausführung der Staatsbürgerliche Pflicht verbietet, verbietet diese Religion automatisch auch die Teilnahme an allen geschäftlichen Prozessen. Sie würden geschäftsunfähig erklärt und würden einem offiziellen Vormund unterworfen. Und das nicht nur für die Zeit ihrer Dienstverpflichtung“

Es gab also keinen Ausweg. Ich musste meinen Dienst antreten

„Lassen Sie uns Ihnen alles erklären, so schlimm ist es nicht. Herr Schmückler und ich haben auch unseren Dienst abgegolten, ich habe mich sogar freiwillig zu vier Jahren verpflichtet“
Ich machte eine frische Kanne Kaffee und lies mir die Details erklären.

Zunächst war ich für zwei Jahre verpflichtet, die Auswahl fand über einen Zufallsgenerator statt. Man konnte sich innerhalb der ersten zwei Wochen – also in der Zeit bis zum eigentlichen Dienstantritt – noch für zwei zusätzliche Jahre verpflichten. Dann konnte es passieren, dass man einen Auslandsdienst antreten musste. Die Hälfte der Zeit war man am Dienstsitz die andere Hälfte musste man im Büro in seinem Kreis arbeiten. Bürgerbüro nannte sich das. Das Gehalt wurde weiter gezahlt – ich konnte also meiner Frau weiterhin den Unterhalt bezahlen - bis zu einem Limit und dann bekam man eine Aufwandsentschädigung. Der Dienst in Berlin und im Ausland hatten noch den Vorteil, das dies Vollzeit Dienste waren. Die kommunalen Tätigkeiten waren Nebenbeschäftigungen, man musste in seinem Job weiter arbeiten, und die Landesdienste waren Halbzeit Dienste, was den Arbeitgeber verpflichtete eine halbe Stelle zu geben. Dafür brauchte man für die Landes und Kommunalen Dienste nicht umzuziehen.
Für den Dienst in Berlin bekam man ein Appartement in einer geschützten Anlage, die im Volksmund „Die Kaserne“ genannt wurde.

Da die Presse sich auf die neuen Dienstverpflichteten stürzte wie ein Rudel Hunde auf ein waidgeschossenes Reh, empfohlen sie mir nochmals, ich solle den Dienst erst einmal für mich behalten.

Und Kleidung? So wie ich Augenblick war konnte ich natürlich nicht erscheinen. Ja, es gäbe eine Kleiderordnung und ja, es gäbe einen Zuschuss zu den Kosten.

Die erste Woche an dem Dienstsitz war eine Grundausbildung, die Verhaltensregeln. Dann würde man sich auch entscheiden, ob man sich einer Gruppe anschließen wolle und in welcher Arbeitsgruppe man mitarbeiten wolle. „Das eine hat manchmal mit dem anderen zu tun, wenn Sie, sagen wir mal, im Sozialen mitarbeiten wollen, und nur eine Gruppe braucht noch einen, der dort Interessen zeigt, dann schließt man sich denen an.“

Meine ersten Fragen waren beantwortet. Sie verabschiedeten sich Sie ließen mir den Ordner da mit der Urkunde und mit Informationsmaterial. Und Visitenkarten, damit ich sie anrufen könne, falls ich weitere Fragen hätte.

Es war alles ein wenig viel für den Augenblick. Ich hatte mich doch eigentlich nie für Politik interessiert. Sport – Fußball war meine Sache, und Skat mit den Kollegen alle vierzehn Tage. Jetzt sollte ich also politische Dienst ableisten, und auch noch in Berlin. Das alleine war doch Strafe genug. Aber Herta Fan wurde ich deshalb nicht. Können die dort überhaupt Skat spielen, und wie schmeckt das Bier dort?

In den nächsten Wochen behielt ich die Informationen für mich. Weder beim Skatabend sagte ich was, noch etwas zu meiner Tochter, als die kam bei mir nach dem Rechten zu sehen. Sie sah den neuen Anzug, den ich gekauft hatte und der an der Schlafzimmerschranktür hing.
„Du hast dir einen neuen Anzug gekauft?“ fragte sie.
„Warum denn nicht“
„Wann trägst Du den einen Anzug?“
„Ja wenn Du deinen Abschluss machst, will ich mich doch vernünftig anziehen“ Sie war im dritten Lehrjahr.
„Papa“ sagte sie mit einem Zwinkern in den Augen „Du bist lieb“ Ich glaubte, sie meinte ich hätte eine neue Frau getroffen und hätte den Anzug deswegen gekauft.
Einige der anderen Dienstverpflichteten hatten nicht hinter dem Berg gehalten und wurden in der Presse und im Fernsehen herumgereicht. Eine kam sogar bis in TV Total und wurde dort auseinandergenommen.

Als dann der Termin zu Dienstantritt kam, war kein Halten mehr. Die Liste der Dienstverpflichteten wurde an dem Abend vorher veröffentlicht. Als der Wagen kam, um mich zum Flughafen abzuholen, standen Journalisten vor der Tür und ein wahres Blitzlichtgewitter setzte ein, als ich aus dem Haus trat. Der Fahrer geleitete mich schnell zum Wagen. Wir fuhren zum Flughafen. Dort traf ich dann weitere Kandidaten. Zusammen flogen wir nach Berlin.

In Berlin wurden wir abgeholt wieder umringt von Journalisten, Fragen wurden uns zugerufen, die ich nicht verstand. Ich war froh als wir endlich ankamen.

Ankamen im Reichstag: für die nächsten zwei Jahre war ich Bundestagsabgeordneter.

Freitag, 19. Juli 2013

Landschaftsaufnahme mit Strommast


Strommasten gehören genauso zu dem menschlichen Footprint in der Landschaft wie Burgen, Klöster, Brücken, Kanäle, Windmühlen. Sie sind ein Kilroy der Zivilisation - I was here.

Aufgenommen in Düren auf Kodak Tri-X

Mittwoch, 17. Juli 2013

Datensammelwut

Vor Jahren sind die Deutschen noch auf die Barrikaden gegangen als eine Volkszählung nach Informationen gefragt hatte, von denen man der Meinung war, das ginge dem Staat nichts an. Dieses Jahr stellt sich heraus, das ein US Geheimdienst massiv Internetverbindungen angezapft hat und es bleibt überraschend ruhig – keine Demonstrationen der Massen; lediglich Schulterzucken überall – man habe es ja irgendwie geahnt.

Auch nachdem bekannt wurde, dass diese Datenerfassung auch auf deutschem Boden – also im deutschen Rechtsraum – stattgefunden hat. Ruhe. Die Reaktionen – oder besser die Nichtreaktionen der politischen Kaste ist ein gesonderter Beitrag wert, das lasse ich mal draußen vor. Was sagt uns das?

  1. Der Datenschutz ist eine Lachnummer – was gesammelt werden kann, wird auch gesammelt. Da es politisch nicht opportun ist, etwas dagegen zu tun, wird es auch nicht getan.
  2. Die politischen Konsequenzen, die gefordert werden müssen, sind andere. Was möchte ich erläutern.

Daten werden gesammelt. Der Geheimdienst sammelt; die Internetfirmen sammeln; Geldinstitute sammeln; Einzelhandelsunternehmen sammeln. Jeder sammelt. Und wer sammelt, tut dieses, um die Daten zu verwenden. Es ist ja schließlich nicht wie Briefmarkensammler, die sich daran ergötzen, dass sie die komplette Blumenserie der Fidji Insel im Album haben. Nein, es wird gesammelt, um aus den Daten Handlungen ableiten zu können.

Vor Jahren als vermehrt in deutschen Konzernen das Personal-Abrechnungs-und Informationssystem „Paisy“ eingeführt werden sollte, wehrten sich Betriebsräte und Gewerkschaften gegen diese Einführung. Man könne sehr einfach Suchläufe starten und sich somit in kürzester Zeit Listen der Mitarbeiter ausgeben lassen zum Beispiel zum Thema Krankenstand. Man könne somit also gezielt die Mitarbeiter suchen, die in einem Zeitraum die meisten Kranktage hätten. Bei Stellenabbau hätte man somit schnell Informationen, wen man bevorzugt „freisetzen“ wolle. Es wurde gefordert, dass solche Auswertungsläufe nicht oder nur nach Absprache mit dem Betriebsrat geschehen sollten.

Ich war Teil dieses Protestes wurde aber bald von dritter Seite von der Sinnlosigkeit des Protestes überzeugt; so lägen diese Informationen vor; man könne es nicht verhindern, dass solche Auswertungsläufe gestartet würden und wenn es heraus käme, dass es gemacht wurde, wäre dieses „ohne Wissen des Managements“ geschehen und der mögliche „Schuldige“ würde bestenfalls einen Klaps auf die Hand bekommen. Was aber nicht verhindere, dass die Auswertungen vorlägen, und, wenn sie schon vorlägen, könne man sie auch verwenden.

Das Problem ist ein anderes: solange man der Firmenleitung zugesteht, dass sie nach mehr oder weniger eigenen Gutdünken existentielle Entscheidungen über die Mitarbeiter treffen, sich für diese Entscheidungen nicht rechtfertigen müssen, solange ist es eigentlich egal, wie sie zu diesen Entscheidungen kämen – mehr oder weniger zufällig – mir gefällt dessen Gesicht nicht – oder nachdem sie die Personallisten nach irgendwelchen Kriterien durchsucht haben.

Und an dieser Situation hat sich in den letzten mehr als dreißig Jahren nichts geändert. Der Datenschutz läuft hinter der Technik her und versucht die Datensammelwut der staatlichen Stellen und privater Firmen zu unterbinden. Mit immer weniger Erfolg.

Die Daten liegen vor. Sie werden gesichtet und interpretiert und es werden Entscheidungen abgeleitet – hier kommt jemand auf eine No-Fly-Liste, dort wird jemanden die Lebensversicherung verweigert oder nur zu horrenden Preisen angeboten, bei einem dritten taucht der Staatsschutz an der Tür auf. Warum erfährt man nicht, weder welche Daten vorliegen noch ob diese richtig interpretiert wurden.

Solange also staatliche und privatwirtschaftliche Institutionen weitreichende Entscheidungen über unser Leben treffen können, für die sie nicht begründen, belegen oder rechtfertigen müssen, gegen die es wenig oder keine Handhabe gibt, solange ist die Datensammelwut eigentlich ein Nebenthema. Und wenn es irgendwann gelingen sollte, diese Institutionen für ihre Handlungen verantwortlich zu machen und sie dazu zu bringen die getroffenen Entscheidungen zu revidieren, dann wiederum ist es tatsächlich egal welche Informationen sie haben. Nur ist es wenig wahrscheinlich, dass dieses bald passiert.

Donnerstag, 30. Dezember 2010

Staatsschulden sind Unsinnig


Wie schreibt man in einem Blog über die Unsinnigkeit von Staatsverschuldung – etwas über das schon ganze Bücher geschrieben worden sind. Nur scheinen gerade diese Bücher das eine an Staatsverschulden zu übersehen, dass nämlich diese Staatsschulden im hohen Maße unsinnig sind – oder aber unmoralisch - wenn nicht sogar beides.  

Am besten fange ich mit einer kurzen Geschichte an von einem wohlhabenden Mann, der keine Zeit zum Gärtnern hat und auch keine Händchen dafür und deshalb einen Gärtner beschäftigt, seinen Garten in Ordnung zu halten.  Dieser Mann hat eine Vereinbarung mit dem Gärtner, dass dieser seinen Lohn bekommt und auch eine Summe Geldes pro Monat für die notwendigen Anschaffungen – sei es Benzin für den Rasenmäher oder  die Pflanzen, die er zu pflanzen beabsichtigt. Der Garten wuchs und gedieh und wurde von allen gelobt. Er war der schönste in der Straße, wenn nicht sogar in dem ganzen Städtchen.  Am Ende eines harten Winters kommt dieser Gärtner zu seinem Auftraggeber und sagt, der Frost habe die Terrasse angegriffen und es wäre ratsam diese fachgemäß reparieren zu lassen ansonsten müsse sie in einem Jahr vollkommen repariert werden.  Der Mann denkt ein wenig nach und kommt zum Schluss, ja es müsse gemacht werden. Aber er möchte das Budget nicht erhöhen, er würde das notwendige Geld dem Gärtner leihen und dieser  solle den Betrag plus Zinsen aus dem monatlichen Budget zurückzahlen. Der Gärtner blickt ein wenig verwundert aber stimmt diesem zu.  Die Terrasse wird repariert und das Jahr nimmt seinen Lauf.  In dem Sommer ist den Mann ein wenig verwundert, dass der Garten nicht so schön war wie die Jahre zuvor aber er dachte nicht viel mehr dabei.  Der nächste Sommer war aber schlimmer – Der Gärtner hatte im Herbst wesentlich weniger gepflanzt und man bemerkte es. Auch die Gäste des Mannes kommentierten es. Der Mann rief seinen Gärtner  zu sich und bat ihn um eine Erklärung: Er würde ihm doch nicht weniger geben und dennoch schien es ihm so, als würde der Gärtner weniger in den Garten hineinstecken.  Das ist auch so, das sagte der Gärtner, Sie geben mir nicht weniger aber aus dem Geld muss ich Ihnen den Kredit für die Reparatur an der Terrasse bedienen, Zinsen und Tilgung – und für die Tilgung reiche es noch nicht einmal,  er habe schon Schwierigkeit die Zinsen  zu zahlen.  Da merkte der Mann, was für einen Unsinn er gemacht hatte. Er hatte das Geld für die Reparatur gehabt, er hat es sogar dafür ausgegeben,  jetzt zahlt der Gärtner einen Kredit zurück aus dem Geld, das er selbst dem Gärtner gibt.  Ich war ein Blödmann sagt er zum Gärtner. Bitte benutzen Sie das Geld für die laufenden Ausgaben auch für die laufenden Ausgaben. 

Wie jede Analogie hat diese Geschichte ein paar Fehler – es ist nicht ein Mann, der dem Gärtner das Geld gibt sondern die Bevölkerung eines Staates – dazu gleich noch mehr. Und einige mögen sagen, so einfach ist das nicht – aber hier liegt Fehler  - es ist so einfach. 

Staatsschulden machen keinen Sinn, weil sich der Staat Geld leiht von Bürgern die Geld haben um Aufgaben zu erfüllen, die aus den laufenden Einnahmen – Steuern und Gebühren – nicht bezahlt werden können, die aber dann später mit Steuern und Gebühren zurückgezahlt werden müssen. 

Was ist wenn es nicht ein Mann wäre sonder eine Gruppe von Menschen.  Und wenn diese Leute unterschiedlich viel Geld hätten  und den Garten unterschiedlich nutzten.  Dann muss man sich, wenn die Aufgabe ansteht zusammensetzen um zu entscheiden, wie die Lasten geteilt werden sollen. 

Und hier liegt eine Crux. Nehmen wir an, die Regierung hält es für notwendig eine größere Investition zu tätigen – zum Beispiel in einer Kommune eine neue Schule, ein Rathaus oder ein Schwimmbad – oder auf Bundesebene eine neues Kampfflugzeug oder einen Milliardenteuren Bahnhof in einer  süddeutschen Stadt – und der Staat dürfe keine Schulden machen – dann müsste die Regierung an die Bürger herantreten und ihnen sagen – wir brauchen für diese notwendige Investition für eine kurze Zeit mehr Geld. Man muss nicht nur die Bürger überzeugen, dass diese Investition notwendig ist, man muss sich auch einigen, wer wie viel dafür bezahlt.  Aber, ich höre jetzt, die Leute haben das Geld doch nicht. Falsch, sage ich, natürlich haben sie das Geld, sonst könnten sie es dem Staat doch nicht leihen.  Das Geld ist offensichtlich da, sonst könnte man es sich nicht leihen, aber offensichtlich sind die, die es haben, nicht bereit es dem Staat zu geben, obgleich die logische Folge wären, dass dann später die Steuern gesenkt werden könnten – man hat ja nicht die Notwendigkeit Kredite zu tilgen und Zinsen zu zahlen. 

Oder, man macht Schulden, um dann den Grund zu haben bei den armen zu sparen. Dann sind die Staatsschulden ein Werkzeug der Umverteilung von unten nach oben. Staatsverschuldung wäre dann gar nicht dumm, aber eben zu höchsten Maße unmoralisch.

Mittwoch, 17. November 2010

... zum Thema Fachkräftemangel


Gibt es einen Fachkräftemangel? Aus der Sicht eines arbeitslosen IT Spezialisten, der andauernd Absagen erhält wohl eher kaum, aber diese Sicht ist sehr  subjektiv und deshalb wenig für eine allgemeingültige Betrachtung geeignet.  Aber es gibt eine Betrachtungsweise von einer anderen Seite. Wenn etwas knapp ist, dann sollte man vielleicht ein wenig sparsam damit umgehen. Aber das ist nicht der Fall. 

Die Entwicklung der Arbeitsstrukturen in den letzten zwanzig Jahren hat in vielen Firmen dazu geführt, dass Fachkräfte immer mehr Zeit mit verwaltungstechnischen Aufgaben verbringen und weniger mit der eigentlichen Arbeit für die sie qualifiziert sind und für die sie bezahlt werden oder  konkreter für die der Kunde sie bezahlt.  Ich habe noch in der glücklichen Zeit gearbeitet, in der ich meine Berichte vorgeschrieben habe und diese wurden von einem Schreibbüro oder einer Sekretärin in ein vernünftiges Format gebracht. Orthographie war – wie Goethe es so treffend schrieb – nicht meine Sache. 

Die Rationalisierung des Büros ergab, dass jetzt der Ingenieur seine Berichte selber schreiben und formatieren darf und die graphische Aufarbeitung selber durchführen muss. Mit dem Resultat, dass weniger Zeit für die eigentliche Arbeit da war. Seit einigen Jahren muss jeder seine eigenen Dienstreisen planen und abrechnen und die Personaldaten muss jetzt jeder selber pflegen. Das amüsante ist, dass parallel dazu weder der Finanzbereich noch die Personalabteilung Stellen eingespart hat, die Leute werden jetzt nicht mehr gebraucht, die Arbeit zu machen, sondern die Arbeit der anderen zu kontrollieren. Ähnliches gilt für die Beschaffung von projektrelevanten Materialien. 

In den letzten Jahren habe ich ein Viertel bis zu einem Drittel meiner Arbeitszeit mit Verwaltungstätigkeiten verbracht. In Gesprächen mit anderen habe ich erfahren, dass dieses nicht auf meine Firma beschränkt ist. Es wäre also durchaus möglich die Kapazität der vorhandenen Fachkräfte um 25% bis 30% zu erhöhen nur indem man die Arbeitsorganisation ändert.  Es gibt also keinen Fachkräftemangel, man setzt die vorhandenen Fachkräfte nur falsch ein.

Aller Anfang ist schwer


Dies ist mein erster Blog Eintrag. Also möchte ich nicht gleich in die Vollen gehen. Ich möchte in Zukunft ein wenig über das schreiben, was mich so bewegt: Politik, Literatur, Photographie – wobei die Reihenfolge nicht unbedingt die Wichtigkeit ausmacht. Ich weiß natürlich nicht, ob mich irgendeiner lesen wird, aber darauf las‘ ich mich ganz bewusst ein.  Mal sehen was da so kommt.